Simulation „Anonym Surfen“

„Wer nichts zu verbergen hat, der muss auch nicht anonym surfen“, dachte ich früher. Doch dann fiel mir auf, dass inzwischen längst andere entscheiden, was an wem verdächtig sein könnte. Irgendwann wird irgendjemand beschließen, dass eine meiner Interessen höchst verdächtig ist. Ab dann sollte ich über diese Interessen nur noch anonym sprechen und schreiben. Diese Artikelserie berichtet über meinen Einstieg in die anonyme Kommunikation und ist ein Vorgeschmack auf den Alltag derer, die zukünftig verdächtig sein werden.

Mir ist klar geworden, dass die „Ich-habe-nichts-zu-verbergen-Haltung“ einen großen Denkfehler enthält. Der erste Fehler ist, dass man glaubt, dass man selbst derjenige sei, der bestimmt was „verbergenspflichtig“ ist und was nicht. Die meisten denken dabei an Kriminalität. Wer kriminell ist, der hat was zu verbergen. Der Rest muss sich keine Sorgen machen.

Der zweite Fehler ist, dass man beim Nachdenken über die „verbergenswürdige“ Daten von heute ausgeht. Welche Informationen als brisant beurteilt werden, kann sich aber im Lauf der Zeit ändern. Einmal freigesetzte Daten lassen sich häufig aber nicht wieder zurückholen.

Aus der NASA-Affaire (siehe Glossar) wissen wir jedoch, dass man lediglich für bestimmte Firmen arbeiten muss, um zum Überwachungsziel zu werden. Alternativ reicht es auch, in seiner Freizeit einen Tor Server zu hosten, oder eine Organisation für vertrauliche E-Mail-Kommunikation zu unterstützen, um anschließend umfassend überwacht zu werden.
Für den Verfassungsschutz reichen bereits ein paar charakteristische Wörter in einer E-Mail, um eine Verwanzung der Wohnung zu rechtfertigen. Alle diese Beispiele zeigen, dass man nicht kriminell sein muss, um zum Überwachungsziel zu werden.

Gut, das alles betrifft Sie noch immer nicht, weil Sie nicht für Hightech Firmen arbeiten, keine merkwürdigen Wörter benutzen, und gar nicht wissen was ein Tor Server ist.

Der Haken an der Geschichte ist: wir wissen heute noch nicht, was uns morgen zu Überwachungszielen macht. Heute muss man Wikileaks Dokumente lesen, Reisen in den Nahen Osten planen, E-Mails verschlüsseln, oder das Handy häufig ausschalten.
Was qualifiziert uns morgen zum Abhörziel? Diese Entscheidung liegt nicht bei uns selbst. Graue Eminenzen entscheiden das für uns.

Daher habe ich schon mal ein paar Schritte weitergedacht. Wie sähe eigentlich meine Kommunikation aus, wenn ich etwas zu verbergen hätte? Die üblichen Kommunikationswege wären Tabu.
Keine Telefonie, kein E-Mail, kein Messenger, kein Twitter, kein Facebook. Alle diese Medien wären für die Übermittlung von vertraulichen Informationen unbrauchbar, weil immer ein Überwacher mithört.

Wie würde ich in diesem Fall kommunizieren? Diese Frage hat mich so beschäftigt, dass ich für Sie die Simulation „Anonym Surfen“ gestartet habe. Meine Aufgabe: „Übermittle unerkannt vertrauliche Informationen über das Internet.“

Diese Simulation hat sich als komplexes und zeitintensives Unternehmen herausgestellt. Das Ergebnis meines Experiments ist deswegen eine ganze Serie von Blog-Artikeln, die meine Anstrengungen zum Thema „Anonym Surfen“ beschreiben.

Soviel vorab: es wird ein wirklich erhellendes Experiment. Es gilt viele unerwartete Hürden zu nehmen und erfordert wie ein Krimineller zu denken. Eigentlich paradox: wer als unbescholtener Bürger den Schnüffeleien der Organisationen entgehen will, der braucht ein gewisses Maß an krimineller Energie.

Aber lesen Sie selbst demnächst mehr über Anonym Surfen im Informanie Blog …

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